Über das Projekt

Warum ein Projekt zum Thema Gendersensibilisierung?

Mädchen interessieren sich im Durchschnitt weniger stark für physikalische und technische Themen im Natur- und Technikunterricht (siehe z.B. Holstermann & Bögeholz, 2007; Akademien der Wissenschaften Schweiz, 2014). Meist ist dies mit einem geringeren Selbstkonzept und tieferen Noten in diesen Themenbereichen verbunden. Jungen hingegen zeigen weniger Interesse und entsprechend schlechtere Leistungen bei humanbiologischen Unterrichtsinhalten. Wie unter anderen die PISA-Studie (OECD, 2016) gezeigt hat, sind die Geschlechterdifferenzen in der Schweiz im Bereich Naturwissenschaften und Mathematik besonders ausgeprägt.

Im Hinblick auf den Fachkräftemangel im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) sowie im Gesundheitsbereich besteht demnach Handlungsbedarf. Aber auch private und politische Entscheidungsprozesse sind massgeblich von Interesse und dem Selbstkonzept im jeweiligen Bereich beeinflusst.

Die geschlechterspezifischen Unterschiede wirken sich schon bei der Suche nach Lehrstellen aus. Durch die stereotype Wahrnehmung von Berufen zeigen sich ausgeprägte Geschlechterunterschiede im Berufs- und später im Studienwahlverhalten. Deshalb ist es wichtig, bereits in der Schulzeit die Geschlechterdifferenzen angemessen zu berücksichtigen.

Im Biologieunterricht (Symbolbild)

Wie wird das Projekt umgesetzt?

Das Projekt Gendersensibilisierung in der Ausbildung von Natur- und Techniklehrpersonen setzt bei der Ausbildung von Lehrpersonen der Sekundarstufe I an. Lehrpersonen spielen neben Eltern, Peers und Medien eine Schlüsselrolle im Entwicklungsprozess der Jugendlichen. Es wird erwartet, dass auf das Thema Gendersensibler Unterricht sensibilisierte Lehrpersonen durch entsprechendes Handeln in ihrem Unterricht das Interesse und das Selbstkonzept der Mädchen bzw. der Jungen positiv beeinflussen. Gleichzeitig wirken aber auch die eigenen, impliziten Stereotype der Lehrperson auf Motivation und Einstellungen der Jugendlichen (Thomas, 2017).

Die Pädagogischen Hochschulen haben hier Einflussmöglichkeiten, da sie angehende Lehrpersonen für die Problematik sensibilisieren, sie zur Selbstreflexion anregen und sie dazu befähigen können, gendergerechten Natur- und Technikunterricht durchzuführen. Es ist unbestritten, dass der Unterricht in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern einen direkten Einfluss auf Interessen, Selbstkonzept und Leistungen von Kindern und Jugendlichen ausübt und damit auch ein grosses Potenzial zu ihrer Förderung birgt. So konnte beispielsweise bereits die Schweizer Koedukationsstudie (Herzog, Labudde, Gerber, Neuenschwander & Violi, 1997) eine Steigerung der Leistungen und des Interesses der Mädchen nach einem an Kriterien für einen mädchengerechten Physikunterricht orientierten Unterricht nachweisen.

Stereotypische Berufswahl

Inzwischen liegen zahlreiche forschungsbasierte Empfehlungen für einen geschlechtergerechten Naturwissenschaftsunterricht vor, von der Auswahl der Inhalte und Kontexte über Interaktionsformen bis hin zur Vermittlung des Fachimages (siehe z.B. Kröll, 2010; Amon, Bartosch, Lembens & Wenzl, 2014). Dem Unterricht auf der Sekundarstufe I kommt dabei eine besondere Rolle zu: Zum einen suchen dann die meisten Jugendlichen eine Lehrstelle, so dass zu diesem Zeitpunkt einer stereotypen Berufswahl entgegengewirkt werden kann. Zum anderen sind sie dann in einem Alter, in dem die Entwicklung der eigenen Geschlechtsidentität im Gegensatz stehen kann zur Wahrnehmung eines Faches als männliche oder weibliche Domäne (Kessels, 2015).

Ausbildung von Lehrpersonen

Bei der Ausbildung von Lehrpersonen anzusetzen verspricht somit eine besonders grosse Reichweite der Massnahmen, wenn es gelingt, dass die Lehrpersonen wiederum selbst ihr ganzes Berufsleben lang Massnahmen für einen gendergerechten Unterricht umsetzen.

Darüber, wie Lehrpersonen im Hinblick auf den naturwissenschaftlich-technischen Fachunterricht optimal geschult werden können, ist allerdings noch wenig bekannt. Blair, Miller, Ong und Zastavker (2017) halten es auf der Grundlage ihrer Interviewstudie für vielversprechend, bei MINT-Hochschuldozierenden anzusetzen. Unser Projekt basiert demnach auf der Zusammenarbeit mit den Dozierenden im Bereich Natur und Technik der fünf grössten Pädagogischen Hochschulen in der Deutschschweiz (PH Luzern, PH Bern, PH FHNW, PH St. Gallen und PH Zürich) und der koordinierten Weiterentwicklung von bestehenden Modulen. Die Sensibilisierung für das Thema und der Aufbau von Genderkompetenz stehen im Vordergrund. Letztlich sollen alle Ebenen profitieren: Die Schüler*innen der Sekundarstufe I, die (zukünftigen) Lehrpersonen sowie die Dozierenden in der Lehrpersonenausbildung an den Pädagogischen Hochschulen.

Im Chemieunterricht (Symbolbild)

Wer ist am Projekt beteiligt?

Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann unterstützt das hochschulübergreifende Projekt. Leading House ist die Pädagogische Hochschule Luzern. Die PH Bern, PH FHNW, PH St. Gallen und PH Zürich konnten für eine Zusammenarbeit und die Ausweitung des Projekts gewonnen werden. Im Folgenden sind alle Personen aufgeführt, die an ihren Hochschulen das jeweilige Teilprojekt leiten (nebst den aufgeführten Personen beteiligen sich Dozierende aus dem Fachbereich Natur und Technik aller Hochschulen am Projekt):

Prof. Dr. Dorothee Brovelli
Daniel Gysin
Urs Wagner, PH Bern
Prof. Dr. Tibor Gyalog, PH FHNW
Sanja Atanasova