Zugehörigkeit statt nur Anwesenheit:
Der geheime Schlüssel zu Exzellenz

An der Hochschule Luzern (HSLU) und der Pädagogischen Hochschule Luzern (PHLU) treffen Menschen mit vielfältigen Hintergründen, Ideen und Erfahrungen aufeinander. Sei es im Studium, in der Forschung oder in der Weiterbildung. Dabei kann wahre Exzellenz erst entstehen, wenn alle Beteiligten das Gefühl haben, wirklich dazuzugehören. Das «Sense of Belonging» – das Gefühl der Zugehörigkeit – ist der Schlüssel dazu. Ein gemeinsames Projekt der HSLU und PHLU im Rahmen der vom Bund geförderten Chancengerechtigkeit an Hochschulen greift diesen Aspekt nun auf.

Ein Blogbeitrag von:
Prof. Dr. Ladan Pooyan-Weihs (Dozentin und Projektmitarbeiterin HSLU)
Dr. Daniel Gysin (Dozent und Projektkoordinator PH Luzern)

Was macht eine Hochschule wirklich erfolgreich? Sind es moderne Labore, praxisnahe Studienprogramme oder exzellente Forschung? Eine Hochschule ist dann am stärksten, wenn sich ihre Mitglieder nicht nur begegnen, sondern wirklich verbunden fühlen. Dieses Gefühl von Zusammenhalt schafft nicht nur Motivation und Vertrauen, sondern macht Lehren, Lernen und Forschen zu etwas Gemeinsamen – zu etwas, das bleibt.

Das Zugehörigkeitsgefühl – beziehungsweise das «Sense of Belonging» (SoB) – ist weit mehr als ein Schlagwort. Es bildet die Grundlage für Engagement, Kreativität und nachhaltigen Erfolg. Wer sich angenommen und wertgeschätzt fühlt, bringt Ideen ein, übernimmt Verantwortung und gestaltet die Zukunft aktiv mit. Dieses Gefühl von Zusammenhalt schafft nicht nur Motivation und Vertrauen, sondern macht Lernen, Lehren und Forschen zu etwas Gemeinsamem – zu etwas, das bleibt.

Die Hochschule Luzern und die Pädagogische Hochschule Luzern setzen sich im Projekt «Chancengerechtigkeit und Ausgleich der Geschlechtersegregation im technischen und informatischen Fachhochschulstudium» für die Förderung des Zugehörigkeitsgefühl der Studierenden und Mitarbeitenden zu ihrer jeweiligen Fachcommunity und ihrer Hochschule ein. In dieser Blogbeitragsreihe soll auf den Begriff des «Sense of Belonging», auf Beispiele aus dem Hochschulalltag und in späteren Beiträgen auch auf die Entwicklungen aus dem erwähnten Kooperationsprojekt eingegangen werden.

 

Die Bedeutung und positiven Effekte eines ausgeprägten «Sense of Beloning»

  • Sense of Belonging kommt aus dem englischsprachigen Raum und beschreibt das Gefühl, sich sicher, akzeptiert und unterstützt zu fühlen – also wirklich dazuzugehören. Dieses Gefühl kann überall entstehen: in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Hochschule oder im Freundeskreis. Ein ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl stärkt das psychische Wohlbefinden, da Einsamkeit und Angst reduziert werden
  • Wenn wir uns einer Gruppe zugehörig fühlen, sind wir generell gesünder
  • Das Zugehörigkeitsgefühl steigert die Motivation und das Engagement, besonders in Teams, Lerngruppen oder Lehrveranstaltungen
  • Es fördert die Identität sowie das Selbstwertgefühl und vermittelt das Gefühl, bedeutsam zu sein

 

Das Zugehörigkeitsgefühl beeinflusst nicht nur Erwachsene in ihrem Lebensumfeld, sondern auch Kinder und Jugendliche. Das trifft insbesondere auf Schülerinnen und Schüler zu. Eine Studie zeigt beispielsweise, dass Mädchen, die ein stärker ausgeprägtes Zugehörigkeitsgefühl zu den MINT-Fächern empfinden, sich mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit für eine Ausbildung im MINT-Bereich entscheiden.

 

Wie ein Zugehörigkeitsgefühl entsteht

Ein Zugehörigkeitsgefühl entsteht überall dort, wo Menschen sich gesehen, respektiert und als Teil einer Gemeinschaft fühlen. Am Arbeitsplatz wächst es, wenn Kolleginnen und Kollegen einander unterstützen und Erfolge gemeinsam feiern. Im Freundeskreis zeigt es sich, wenn Vertrauen, Offenheit und gegenseitige Wertschätzung den Umgang prägen. Und in der Familie entsteht es, wenn jedes Mitglied sich angenommen und verstanden fühlt – auch mit seinen Eigenheiten und Unterschieden.

Das Zugehörigkeitsgefühl verstärkt sich, wenn Inklusion, Respekt und gemeinsame Werte gelebt werden. Wenn Stimmen gehört, Perspektiven wertgeschätzt und Unterschiede als Bereicherung gesehen werden, kann Zugehörigkeit wirklich gedeihen.

Das gilt ebenso für Hochschulen: Dort entsteht ein starkes Gefühl der Gemeinschaft, wenn Studierende, Lehrende und Mitarbeitende sich nicht nur begegnen, sondern sich wirklich verbunden fühlen – durch gemeinsame Ziele, Mitgestaltungsmöglichkeiten und eine Kultur des Miteinanders. Dies zeigt sich unter anderem an den folgenden Beispielen aus dem Hochschulalltag:

  • Im Unterricht: Studierende fühlen sich zugehörig, wenn Lehrende ihre unterschiedlichen Hintergründe anerkennen und Zusammenarbeit fördern.
  • In Projekten: Teams entwickeln ein Gemeinschaftsgefühl und damit ein Zugehörigkeitsgefühl, wenn Ideen wertgeschätzt und verschiedene Denkweisen einbezogen werden.
  • An der Hochschule insgesamt: Eine offene Kultur, gelebte Diversität und faire Chancen stärken den Zusammenhalt.

 

Das Zugehörigkeitsgefühl als Ergebnis vielfältiger Einflussfaktoren

Das Interesse am Konzept des «Sense of Belonging» (SoB) entwickelte sich insbesondere in den USA im Rahmen einer intensiveren Auseinandersetzung mit einem vornehmlich nationalen Problem, nämlich den potenziellen Faktoren des Studienabbruchs und der Studienpersistenz (vgl. Tinto 1975, 1993). Aufgrund der landesweit hohen Verschuldung, insbesondere junger Menschen infolge von Studienkrediten, stellen Studienabbrüche dort bis heute ein erhebliches wirtschaftliches Problem dar (vgl. Harvard Graduate School of Education 2011). Entsprechend gross ist das Interesse daran, die Zahl erfolgreicher Studienabschlüsse zu erhöhen.

Das «Sense of Belonging» steht dabei im Zentrum dieses Interesses, da zahlreiche Studien zeigen, dass es als Prädiktor sowohl die Studienleistung als auch die Wahrscheinlichkeit eines Studienabbruchs beeinflussen kann (vgl. z. B. Hausmann, Schofield & Woods 2007).

Darüber hinaus lassen sich weitere Gründe für die zunehmende Relevanz des SoB identifizieren. Die Globalisierung der Wirtschaft hat zu einer wachsenden Diversität der Studierendenschaft an Hochschulen und Universitäten in Industrieländern geführt. Dabei lassen sich zwei wesentliche Gruppen unterscheiden: Einerseits Studierende mit Migrationshintergrund, die häufig auch als «First Generation Students» bezeichnet werden, und andererseits internationale Studierende aus anderen Ländern. Eine weitere bedeutende Gruppe bildet die LGBTQ+-Community, für die nach wie vor inklusive und sichere Lernumgebungen nicht selbstverständlich sind.

Da diese Themen ursprünglich vor allem in den Vereinigten Staaten aufgegriffen und erforscht wurden, verfügen nordamerikanische Hochschulen über einen gewissen Vorsprung hinsichtlich der Sensibilisierung, institutionellen Reife und praktischen Umsetzung entsprechender Massnahmen. Europäische und andere internationale Hochschulen können daher wertvolle Erkenntnisse aus diesen Erfahrungen gewinnen.

Ein Beispiel hierfür bietet das Massachusetts Institute of Technology (MIT), das eine umfassende Initiative mit einem klaren Aktionsplan zur Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls in zahlreichen Bereichen gestartet hat. Das Leitbild dieser MIT-Initiative betont treffend:

 

 «[Ziel ist ein] Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln und Exzellenz zu fördern, indem Talente weltweit einbezogen werden. Der Plan bietet einen Rahmen, um lokale und hochschulweite Initiativen zu unterstützen, die Chancengerechtigkeit zu fördern und Bedingungen zu schaffen, unter denen alle Mitglieder unserer Gemeinschaft erfolgreich sein können – im Wissen, dass ihre Unterschiede geschätzt werden.»

 

Ein gelebtes «Sense of Belonging» zeigt sich in vielen kleinen Momenten: Wenn Studierende sich gegenseitig unterstützen, Lehrende offen für neue Ideen sind oder Mitarbeitende gemeinsam an Projekten arbeiten, bei denen jede Meinung zählt. Diese Kultur stärkt nicht nur das Miteinander, sondern schafft auch Raum für Innovation und Exzellenz. Wenn Vielfalt als Stärke gesehen wird, entsteht ein Umfeld, in dem alle wachsen können. Denn «Zugehörigkeit bedeutet nicht, gleich zu sein. Sie bedeutet, unterschiedlich zu sein – und trotzdem zusammenzuhalten.» — Brené Brown (Professorin an der University of Houston und bekannt für ihren TED Talk „The Power of Vulnerability“ einer der meistgesehenen TED Talks aller Zeiten).

 

Ein gemeinsames Ziel

An der PH Luzern und HSLU soll dieses Miteinander kein Nebenaspekt, sondern Teil des Erfolgsrezepts sein. Nur wenn eine Atmosphäre geschaffen wird, in der sich alle willkommen fühlen, können praxisnahes Lernen, kreative Forschung und gesellschaftliche Verantwortung gedeihen. Studierende, Lehrende und Mitarbeitende sollen nicht nur Wissen erwerben oder Aufgaben erfüllen, sondern auch ihren Platz in der Hochschulgemeinschaft finden – sich angenommen, wertgeschätzt und verbunden fühlen.

Ein starkes Zugehörigkeitsgefühl ist kein einmaliges Ziel – es ist ein fortlaufender Prozess. Es beginnt mit Offenheit, wächst durch gegenseitigen Respekt und entfaltet seine volle Wirkung, wenn aus Vielfalt echte Gemeinschaft wird.

 

Autor:innen:

Prof. Dr. Ladan Pooyan-Weihs (Dozentin und Projektmitarbeiterin HSLU)
Dr. Daniel Gysin (Dozent und Projektkoordinator PH Luzern)

 

Literaturübersicht:

Harvard Graduate School of Education (2011): ‘Pathways to Prosperity: Meeting the challenge of preparing young Americans for the 21st century’. Online: https://dash.harvard.edu/entities/publication/73120378-9570-6bd4-e053-0100007fdf3b (29.11.2025).

Hausmann, L. R. M./Schofield, J. W./Woods, R. L. (2007): Sense of Belonging as a Predictor of Intentions to Persist Among African American and White First-Year College Students. In: Research in Higher Education, 48(7), 803-839. Online: https://doi.org/10.1007/s11162-007-9052-9 (12.11.2025).

Master, A., Cheryan, S., & Meltzoff, A. N. (2016). Computing whether she belongs: Stereotypes undermine girls’ interest and sense of belonging in computer science. Journal of Educational Psychology, 108(3), 424–437. https://doi.org/10.1037/edu0000061

Tinto, V. (1975): Dropout from higher education: A theoretical synthesis of recent research. In: Review of Educational Research, 45(1), 89-125.

Tinto, V. (1993): Leaving college. Rethinking the causes and cures of student attrition, 2. Aufl. Chicago/London.